Ältere im Betrieb zu halten, ist eine Win-win-Situation
Zuletzt aktualisiert: 12. Juli 20243 Tipps, um Ältere im Betrieb zu halten
1. Rechtzeitig ansprechen: Gehen Sie einige Zeit vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze auf die Beschäftigten zu, um abzuklären, ob sie länger für den Betrieb arbeiten möchten. Ein Jahr vorher ist oft ein geeigneter Zeitpunkt für ein erstes Gespräch.
2. Richtigen Ton treffen: Zeigen Sie den Beschäftigten im Gespräch, wie sehr Sie ihre Expertise schätzen und bohren Sie nicht nach, falls jemand eine Weiterbeschäftigung ablehnt.
3. Automatismus etablieren: Hilfreich kann es sein, fixe Offboarding-Gespräche für alle Mitarbeitenden kurz vor der Rente zu etablieren. So werden der Übergabeprozess und die Option einer Weiterbeschäftigung normaler Bestandteil der Unternehmenskultur.
„Mensch Gundolf, wie wär‘s – kannst du dir vorstellen, noch ein bisschen weiterzumachen?“ Diese Frage stellte Michael Grenz, Geschäftsführer der Elektronikfirma Hanseatic Power Solutions (HPS) aus Norderstedt, seinem langjährigen Mitarbeiter Gundolf Meyer vor dessen Renteneintritt.
Für Grenz, der insgesamt 86 Menschen beschäftigt, ist die Erfahrung des Elektromechanikers und Projektleiters sehr wertvoll. Seine Firma ist im Projektgeschäft tätig, fertigt Schalt- und Steuerungsanlagen für Unternehmen weltweit. „Jede Anlage wird gemeinsam mit dem Kunden entwickelt. Unsere älteren Mitarbeiter haben viel Erfahrung und hervorragende Beziehungen zu den Kunden“, erklärt Grenz. „Deshalb ist es so wichtig für uns, dass sie den Jüngeren ihr Wissen weitergeben.“ Seine Firma hat in den vergangenen Jahren schon einige Mitarbeitende über die Rente hinaus weiterbeschäftigt.
So wie dem Unternehmen aus dem hohen Norden geht es vielen Betrieben bundesweit: Sie müssen sich darum bemühen, das Know-how der scheidenden Mitarbeitenden im Unternehmen zu halten – und sie dafür auch über die Rente hinaus beschäftigten. Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel verstärken die Notwendigkeit, ältere Mitarbeitende länger im Betrieb zu halten.
Formalien: Arbeitsvertrag verlängern, Sozialbeiträge anpassen
Gundolf Meyer musste nicht lange überzeugt werden: Der 66-Jährige mag seine Arbeit und wollte zudem seine Rente aufstocken. Er hatte einige Jahre in Teilzeit gearbeitet, um sich um seine Kinder kümmern zu können, sodass es durchaus attraktiv erschien, die Bezüge noch weiter aufzustocken. Seit Anfang 2023 arbeitet er noch 30 Stunden pro Woche für HPS, zwei Tage davon im Homeoffice. Eine Win-win-Situation.
Für Unternehmen gebe es in solchen Fällen nicht viel zu beachten, sagt Grenz. „Man könnte einen neuen befristeten Arbeitsvertrag aufsetzen, aber wir haben den alten einfach verlängert“, so der Geschäftsführer. Seiner Erfahrung nach ist das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters sehr entspannt. „Dieses Wissen, dass man jederzeit aufhören kann und nicht mehr zwangsläufig arbeiten muss, beruhigt die Menschen sehr“, sagt Grenz.
Auch bei der Sozialversicherung ändere sich nur wenig. Bei der Kranken- und Pflegeversicherung gelte ein ermäßigter Satz für Beschäftigte und Arbeitgeber. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung leiste der Arbeitgeber weiter, der Mitarbeitende hingegen nicht. „Das ist für viele Menschen attraktiv, zumal sie parallel schon ihre Rente ausgezahlt bekommen und sich ihre künftigen Rentenansprüche erhöhen“, sagt Grenz.
Um die Lohnbuchhaltung müssten Betriebe sich keine Sorgen machen: Im jeweiligen Programm müsse nur der Sozialversicherungsschlüssel angepasst werden. „Der operative Aufwand ist also sehr gering.“
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Mehr erfahrenAbsprachen: Früh und behutsam nachfragen
Entscheidend sei, rechtzeitig und angemessen mit den angehenden Rentnerinnen und Rentnern zu sprechen. „Einige Monate Vorlauf sind ratsam, denn sonst haben die Betroffenen womöglich schon Pläne ohne das Unternehmen gemacht“, sagt Grenz. Er rät auch dazu, das Thema behutsam anzusprechen. „Es kommt nicht immer gut an, über die Rente zu reden“, erklärt er. „Willst du mich schon loswerden?“, könne eine Reaktion sein. Oder eine Blockadehaltung nach dem Motto „Da will ich noch gar nicht drüber reden“.
Helfen könne ein Automatismus: Betriebe sollten am besten schon beim Abschluss des Arbeitsvertrags festhalten, dass es ein Jahr vor dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters ein Offboarding-Gespräch gebe. „Dann ist allen klar, dass es sich um einen normalen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses handelt“, sagt Grenz. In diesem Gespräch lässt sich der Übergabeprozess planen oder eben eine Absprache treffen, ob und in welchem Umfang der Beschäftigte auch nach dem Jahr weiterarbeiten möchte.
Gundolf Meyer will nun im September, spätestens aber Ende des Jahres endgültig Abschied nehmen von der Arbeit. Geschäftsführer Grenz ist aber schon im Gespräch mit drei weiteren Beschäftigten. Der eine erreiche im November das Rentenalter und werde dann vermutlich auf 20-Stunden-Basis weiterarbeiten. Bei den beiden anderen gebe es noch deutlich mehr Vorlauf. Grenz ist sicher, dass auch sie länger im Job bleiben werden, als sie müssten: „Wir schaffen es immer, eine Lösung zu finden, mit der beide Seiten zufrieden sind.“